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Abstimmungen, Bezahlbare Wohnungen, Diskriminierungsverbot, Entlastungsinitiative, Mittelstandsinitiative, Rosengartentunnel, Taxigesetz, Tramdepot Hard
Fünfhundert Menschen, die direkt in Sichtweite vom geplanten Portal des neuen Rosengartentunnels in ihre neuen urbanen Wohnungen ziehen, werden den Autoverkehr im Tunnel schon mal nicht belasten: Für sie – weil “mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gut erschlossen” – sind schon gar keine Stellplätze geplant. Sie können das Tunnelportal nur von aussen bewundern. Aber im Einzelnen.
Abstimmung Stadt Zürich: Tramdepot Hard
Direkt an der Wipkingerbrücke liegt ein altes, schönes Tramdepot aus früheren Zeiten. Leider erfüllt es seine Funktion immer weniger, und dahinter liegt eine etwas schäbige und schlecht genutzte Wendefläche. Also will man es renovieren und plant bei der Gelegenheit gleich 193 Wohnungen für ca. 500 Menschen in zwei Wohntürmen.
Darüber gibt es – wie immer bei solchen Projekten – verschiedene Meinungen. Der denkmalgeschützte Teil bleibt erhalten. Die geplanten Mietpreise sind höher als von Genossenschaftswohnungen (was die AL ärgert), aber liegen deutlich unter dem Durchschnitt (für eine 3½-Zimmer-Wohnung geplant 1910 Franken; Durchschnitt im Escher-Wyss-Quartier: 2370 Franken).
Für mich besonders interessant, und für die SVP auch ein Stein des Anstosses: “Da [das Areal] mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gut erschlossen ist, wird auf Autoparkplätze für die Bewohnerinnen und Bewohner verzichtet.”
Im Gegensatz zur SVP halte ich das für durchaus zukunftsorientiert, und – wenn man ein paar Car-Sharing Plätze bereithält – auch ohne weiteres zu vertreten, weshalb ich dem Objektkredit von 203 Millionen fröhlich zustimmen werde (auch wenn ich mich frage, warum man diese Wohnturmquader immer so fantasielos hinklotzen muss).
Die Ironie aber besteht darin, dass man diese autolosen Wohn-Einheiten genau mit Blick auf das geplante Portal des neuen Rosengartentunnels errichtet, und damit kommen wir zur zweiten Abstimmung.
Abstimmung Kanton Zürich: Rosengartentunnel
Darüber wird erbittert gestritten, und es treten die Freunde des Autos einerseits und die Gegner des Autos andererseits in durchaus erwartbarer Weise gegeneinander an. Ich muss sagen: Wenn man mit dem Finger schnipsen könnte, und der geplante Tunnel wäre da – morgen, am 10. Februar 2020 – dann hätte das gewisse Vorteile. Die Rosengartenstrasse macht ihrem Namen heute Schande, und den Verkehr unter die Erde bringen und oberirdisch Strassenbahnen fahren lassen verbessert die Wohnsituation. Und selbstverständlich: die Wohnsituation besser machen führt zu höheren Mieten. Dafür ist halt auch die Wohnsituation besser.
Aber man kann nicht mit dem Finger schnipsen. (Man kann schon, aber dann passiert nichts.)
“Mit dem Bau kann […] realistischerweise frühestens 2024 begonnen werden – und der Tunnel kann frühestens 2030 bzw. das Tram 2032 in Betrieb genommen werden.” (aus dem erläuternden Bericht der Volkswirtschaftsdirektion). Das ist der Beginn. Vorher zehn Jahre Baustelle. Amortisiert haben sich die 1,1 Milliarden erst zwanzig Jahre später, also ca. 2050. Wenn man jetzt bedenkt, wie schnell sich die Klima- und Verkehrswende-Dinge entwickeln, vor welchen dramatischen Umwälzungen wir stehen, dann erscheint dieses Projekt – eine Milliarde für einen Autotunnel für Fahrzeuge, die es dann womöglich – und hoffentlich – gar nicht mehr gibt, ein Monsterprojekt aus einer vergangenen Epoche, das ein Eigenleben annimmt. Vielleicht kann man in dem Tunnel 2050 ja Champignons züchten. Besser wäre, heute den Bau nicht beschliessen.
Abstimmung Kanton Zürich: Personentransport mit Taxis und Limousinen
Was mich am meisten an den Zürcher Taxis stört ist der unsinnig hohe Preis. Wenn ich anderswo bin, nehme ich viel schneller mal ein Taxi. Das ist nicht nur ein Gefühl sondern lässt sich mit Zahlen belegen. Und es geht nicht nur mir so. (Umfrage “20 Minuten” von 2014)
Aus dem ursprünglich sinnvollen Vorschlag des Regierungsrats, Taxis im Kanton einheitlich zu regeln, hat der Kantonsrat ein Uber-Regulierungs-Paket geschnürt, das so wirkt, als sei es direkt von der Taxi-Lobby geschrieben. Die Taxi-Preise sind anderswo ja auch wegen Uber und anderer Konkurrenz so niedrig. Und ja, ich halte die “share economy” für eine zweischneidige Sache und finde, dass man sie sehr kritisch begleiten muss. Trotzdem.
Wenn man die Konkurrenz klein und die Preise hoch halten will, dann sollte man dem neuen “Gesetz über den Personentransport mit Taxis und Limousinen (PTLG)” in der vorliegenden Form zustimmen. Sonst eher nicht.
Abstimmung Kanton Zürich: Entlastungs- bzw. Mittelstandsinitiative
Es gibt zwei sich gegenseitig ausschliessende Initiativen. Die eine (“Entlastungsinitiative”) will die Steuern für niedrige Einkommen (bis 100’000 Jahreseinkommen) senken und die für hohe Einkommen erhöhen (Spitzensatz von 13% auf 17%), die andere (“Mittelstandsinitiative”) will die Steuern für alle senken, aber vor allem für Besserverdienende (Spitzensatz von 13% auf 12%). Falls beide Initiativen angenommen werden, muss man sich per Stichfrage für eine von ihnen entscheiden.
Die “Mittelstandsinitiative” würde erst mal zu Steuerausfällen von 700 Millionen Franken im Jahr führen. Nun ja, 2018 hatte der Kanton einen Überschuss von 548 Millionen Franken, und warum soll man den nicht an die Bürgerinnen und Bürger zurückgeben? Was mich an der Initiative stört, ist, dass die Reduktion – auch prozentual – je kräftiger ausfällt, je höher die Einnahmen sind.
An der “Entlastungsinitiative” gefällt mir die Entlastung der unteren Einkommen, aber die Steigerung für die hohen Einkommen ist aus der momentanen Finanzlage nicht begründet und führt wahrscheinlich zur Abwanderung einiger sehr Betuchter.
Wenn’s nach mir ginge, hätte ich in der jetzigen Lage eine deutliche Senkung auf die Steuern der unteren (bis 100’000), eine leichte Senkung auf die der mittleren (bis 250’000) und eine Beibehaltung auf die der hohen Einkommen vorgeschlagen. Aber auf mich hört ja keiner.
Die vorliegenden Vorschläge überzeugen mich jedenfalls beide nicht. Und was ist das kleinere Übel? Die Entlastung der geringen Einkünfte ist stärker bei der “Entlastungsinitiative”, deshalb wäre ich zur Not für diese.
Abstimmung Schweiz: Mehr bezahlbare Wohnungen
Gemäss dem Mietpreisindex des Bundesamtes für Statistik sind die Mieten in der Schweiz seit dem Jahr 2000 um durchschnittlich 28 Prozent gestiegen. Der Landesindex der Konsumentenpreise, der die durchschnittliche Teuerung misst, ist im gleichen Zeitraum lediglich um acht Prozent gestiegen. Es besteht also Handlungsbedarf.
Haushalte mit einem Brutto-Haushaltseinkommen von 4000 bis 6000 Franken geben heute rund 25 Prozent davon für die Miete aus. Bei Haushalten mit einem Brutto-Haushaltseinkommen von weniger als 4000 Franken sind es sogar 35 Prozent. (Alle Angaben nach Watson).
Ziel der Initiative ist es, den Anteil an Wohnungen gemeinnütziger Bauträger schweizweit von derzeit ca. 5% auf 10% zu erhöhen. 10% ist die Zahl, die im Kanton Zürich heute tatsächlich erreicht ist. Mit anderen Worten: auf den Kanton Zürich hat die Initiative keine Auswirkungen. Trotzdem stimmen wir ab.
Viel von der Polemik gegen die Initiative (“Sozialismus!” – “Enteignung!” – “Tyrannei!”) kann ich nicht teilen. Ein gewisser Grundsockel von sozialem Wohnungsbau ist sinnvoll und moderiert die Marktkräfte, die nach wie vor den Löwenanteil des Immobiliengeschäfts beherrschen und gestalten. 10% halte ich grundsätzlich nicht für zu viel. Für die Stadt Zürich beträgt er eher 20%, und auch das halte ich nicht für schlecht.
Mein Problem ist eher: Sollte das nicht den Kantonen überlassen bleiben? Sind die Verhältnisse in der Stadt nicht anders zu bewerten als die auf dem Land? Mal wieder wird ein Problem gesehen, und dann nach dem Bund gerufen, wo es besser wäre, dies vor Ort zu entscheiden. Für Zürich bin ich dafür, den Anteil an Wohngenossenschaften eher aus- als abzubauen. Bei dieser Vorlage aber bin ich eher dagegen.
Abstimmung Schweiz: Diskriminierungsverbot
Zuletzt noch eine ganz einfache Frage: Soll die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung gleich behandelt werden wie die Diskriminierung aufgrund von Rasse (was immer das ist), Ethnie oder Religion? Natürlich ja. Was sonst?
Das einzige Argument der Gegner dieser Initiative ist, dass es bereits heute strafbar sei, Menschen öffentlich zu beleidigen oder herabzuwürdigen. Das Referendumskomitee fragt: “Wo bleiben die Sondergesetze für handicapierte, alte oder übergewichtige Menschen?”
Nun gibt es einen gesellschaftlichen Kontext, in dem Diskriminierung gegen Homosexuelle auch in unseren Tagen eine Realität ist. Lebten wir im Mittelalter, gäbe es vielleicht Gründe, Diskriminierung gegen Rothaarige in unsere Verfassung zu schreiben. Zum Glück sind die Tage der Hexenverfolgung wegen Rothaarigkeit vorbei. Also lassen wir das.
Aber eine Nachricht “Schweizer Bevölkerung lehnt Diskriminierungsverbot gegen Homosexuelle ab” wäre schon eine ziemliche Katastrophe, und deshalb hoffe ich sehr, dass diese Initiative mit klarer Mehrheit angenommen wird.