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Ansichten aus Zürich

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Ansichten aus Zürich

Tag Archives: Volksabstimmung

Ein Neuanfang

03 Wednesday May 2023

Posted by hajovonkracht in Uncategorized

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Abstimmungen, Volksabstimmung

Bis Februar 2022 habe ich jede Abstimmung in der Schweiz kommentiert, und mich dadurch auch motiviert, mich mit den gestellten Themen auseinanderzusetzen. Das Schweizerische Prinzip, dass man durch die Abstimmungen herausgefordert ist, sich mit allen möglichen politischen Fragen näher zu befassen und sich zu entscheiden, ist eine tolle Sache.

Dann kam der Überfall Russlands auf die Ukraine.

Seitdem verfolge ich täglich die Nachrichten aus der Ukraine, und damit verglichen schrumpfen manche Probleme, mit denen wir uns hier sehr ernsthaft befassen.

Seit über einem Jahr geht der Horror immer weiter, und stellvertretend für die vielen unschuldigen Opfer, möchte ich diesen Beitrag der zweijährige Veronika Makarenko und ihre Mutter Olga widmen, die friedlich in ihrer Wohnung in Dnipro schliefen, als sie am vergangenen Freitag von einer russischen Granate aus dem Leben gerissen wurden. Ihr einziges Vergehen: Ukrainerinnen zu sein.

Quelle: https://twitter.com/Anna_Lena2022/status/1652018946512437250

Und dann noch ein “Disclosure”: Seit September 2014 habe ich die Schweizer Politik verfolgt, passiv, mal mehr, mal weniger intensiv. Jetzt ist für mich der Zeitpunkt gekommen, mich etwas aktiver einzumischen, und so werde ich als alter Grufti am 22. 10. für den Nationalrat kandidieren – als Zählkandidat ohne jede Perspektive, ins Parlament einzuziehen, auf einem der hinteren Listenplätze einer Zusatzliste der Grünliberalen Partei.

Das Schöne an der direkten Demokratie der Schweiz ist ja, dass man bei den Abstimmungen nicht in jedem Fall den Vorgaben der eigenen Partei folgen muss (ich fang gleich in diesem Beitrag damit an), und ich habe vor, auch in Zukunft selbst zu denken. Falls aber jemand von euch meine Empfehlungen durch meine Parteiaktivität kontaminiert sieht, lasst es mich einfach wissen, und ich nehme euch gerne von der Liste.

OECD/G20-Mindestbesteuerung

Seit Jahren senken immer mehr Länder ihre Unternehmenssteuern, um alle anderen zu unterbieten, und auf diese Weise grosse Unternehmen anzulocken. Um diesem “Race to the bottom”.ein Ende zu setzen, haben die G20, und in ihrer Folge auch die EU, nach vielen vergeblichen Anläufen beschlossen, dass Unternehmensgewinne überall mit mindestens 15% versteuert werden sollen. Dieser Beschluss ist mit einem kleinen Trick versehen: Wenn das Land, in dem der Sitz der Firma sich befindet, weniger als diese 15% erhebt, kann ein anderes Land die Differenz einkassieren. Ich muss nicht verstehen, welches Land genau, und wie das gehen soll, aber es scheint als Drohung zu funktionieren, so dass alle Parteien in der Schweiz sich einig sind, dass man diese 15% selbst erheben muss, weil sonst “im Ausland” abkassiert wird.

Denn die Schweiz ist eines der Länder, wegen denen die ganze Regelung beschlossen wurde. Die meisten Länder haben Gewinnsteuern von 15% oder mehr (insgesamt 2 Dutzend Steueroasen wie Irland, Gibralter, Liechtenstein, Zypern und eben die Schweiz liegen darunter). In der Schweiz liegen nur die Kantone Jura (17.42%), Bern (16.01%), Zürich (15.74%), Basel Land (15.71%) und Tessin (15.48%) leicht über 15%. Basel Stadt, Zug und Nidwalden liegen bspw. unter 10%.

Interaktive Karte auf: https://www.swissinfo.ch/ger/wirtschaft/oecd-mindeststeuer–darum-geht-s-bei-der-abstimmung/48401262

Jetzt soll also eine “Ergänzungssteuer” erhoben werden, um das, was die Kantone zu wenig einkassieren, abzuschöpfen. Nun ist der Streit darüber entbrannt, wem diese zusätzlichen Einnahmen (keiner weiss, wieviel es sein wird, aber man redet von 1 – 2.5 Mrd SFr) zugute kommt. Die jetzige Vorlage spricht den Kantonen ¾ dieser Einnahmen, dem Bund ¼ zu. Die SP meint, dass das für die Kantone zu viel und für den Bund zu wenig ist und lehnt deshalb die Vorlage ab. Die Grünen denken das auch, sind sich aber nicht sicher, ob sie diese Massnahme, die sie eigentlich wollen, deshalb ablehnen sollen (und haben “Stimmfreigabe” beschlossen), alle anderen sind dafür.

Meine Meinung dazu: Der Streit ist müssig. Über kurz oder lang werden die Kantone sowieso 100% dieser Steuereinnahmen bekommen, sie müssen nämlich nur ihren Steuersatz auf 15% erhöhen (und können dann auf anderem Weg die Unternehmen auf ihrem Gebiet fördern, was sie sicher tun werden).

Also: Ja!

Klima-Gesetz

Meine grösste Enttäuschung bei den Abstimmungen, an denen ich bislang teilgenommen habe, war, als im Juni 2021 das CO2-Gesetz von 51.6% der Abstimmenden verworfen wurde. Jetzt kommt, sozusagen als abgespeckte Version der Gletscherinitiative, das “Klima- und Innovationsgesetz” vors Volk.

Für meinen Geschmack ist das alles zu zahnlos, es gibt keine verbindlichen Vorgaben, und es ist jetzt schon abzusehen, dass die Schweiz mit diesem Gesetz keinen ausreichenden Beitrag zur Erreichung des 1.50 Ziels leisten wird. Aber gerade deshalb, weil alles unverbindlich ist, und freiwillig, und vielleicht erreicht wird, vielleicht auch nicht, hat diese Vorlage eine bessere Chance, angenommen zu werden. Wenn die Schweizerinnen und Schweizer auch diesen schüchtern-höflichen Versuch, sich von den fossilen Energieträgern unabhängig zu machen, ablehnen, fällt mir nichts mehr ein.

Ein interessanter Aspekt dieser Kampagne ist übrigens, SVP-Chef Rösti zu erleben, wie er als Bundesrat entgegen seiner Partei die Vorlage vertritt und das Wirken des sehr schweizerischen Kollegialitätsprinzips im Regierungshandeln erkennen lässt. Das nötigt mir Respekt ab.

Lieber als die Taube auf dem Dach ist mir der Rösti in der Hand

Deshalb unbedingt: Ja!

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Covid-19-Gesetz

Der Apparat der Schweizer Demokratie ist nicht der schnellste, und so kommt es, dass wir im Juni 2023 nochmal über das COVID-19-Gesetz abstimmen, und jeder sagt: «Hä»?

Die Covid-Lage ist schon vor einiger Zeit von «Pandemie» auf «gefährliche, aber bewältigbare Virus-Infektion» übergegangen. Trotzdem sollen einige Sonderregelungen, die zur Abwendung der Pandemie eingeführt wurden, nochmal um ein halbes Jahr verlängert werden. Danach ist sowieso Schluss.

Mir kommt das ziemlich absurd vor:

  • Die Regelungen sollen nicht beibehalten werden, weil sie jetzt gebraucht werden, sondern für den Fall, dass das Virus bösartig mutiert. Und zwar, dass es das genau zwischen Januar 2024 und Juni 2024 tut. Davor gilt das Gesetz sowieso noch, und danach gilt es sowieso nicht mehr.
  • Nach meiner Lebenserfahrung kommt die nächste ernste Krise sowieso aus einer Ecke, aus der wir sie heute nicht erwarten (z.B. ein grossflächiger Hacker-Angriff, der die gesamte Infrastruktur lahmlegt, oder was man sich so ausdenken mag). Eine Vorrats-Panik zu bewirtschaften für das mögliche Eintreten eines ganz bestimmten Krisenauslösers halte ich für sinnlos. Viel wichtiger wäre es, die Wachsamkeit dafür zu schärfen, dass die Gesellschaft schneller auf neue, unvorhergesehene Bedrohungslagen reagieren kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Folge Zwei von COVID wird, halte ich für vernachlässigbar gering.
  • Im Gegensatz zu den «Freunden der Verfassung» und anderen Massnahmenkritikern, die sich gegen die Vorlage ausgesprochen haben, finde ich, dass die Regierungen in der Schweiz und drumherum ziemlich gut und verantwortungsvoll mit der Krise umgegangen sind. Dass die Verantwortlichen beim Auftreten einer unkalkulierbaren Herausforderung umsichtig und auch mutig «Handeln in Unsicherheit» praktizieren mussten, Fehler riskierten und auch besondere Vollmachten brauchten. Jetzt ist es wichtig, dass diese «besonderen Vollmachten» so schnell wie möglich wieder abgegeben werden, und nicht dem naturwüchsigen Bedürfnis von Bürokratien nachgegeben wird, Kompetenzen, die einmal erhalten wurden, einfach zu behalten.
  • Für mich war das grösste Problem bei der Corona-Krise, dass sie als Brandbeschleuniger gewirkt hat bei der Zersetzung des demokratischen Zusammenhalts unserer Gesellschaft. Verschwörungstheorien, Ausgrenzung, generelle Abwendung von demokratischer Öffentlichkeit, Misstrauen gegenüber Journalisten, Politikern usw. wurden im Lauf dieser Krise in ungeahnte Höhen geschleudert. Um so wichtiger ist es, zum normalen Prozedere zurückzukehren, und dieses Gift nicht weiter wirken zu lassen.

Erstaunt bin ich, dass ich mich in dieser Frage im Gegensatz zu einer breiten Mehrheit der im Parlament vertretenen Parteien sehe (Ausnahme: SVP). Aber seis drum: Nein.

Stadtzürcher Vorlagen

Ein Lohn zum Leben

Kommt man mit einem Stundenlohn von weniger als 23 Franken in Zürich über die Runden? 4% der Beschäftigten in Zürich verdienen weniger als das. Bei einer vollen Stelle wären das weniger als 4200 SFr im Monat. Und viele Niedriglohnempfänger arbeiten nur teilzeit.

Ganz grundsätzlich finde ich das Prinzip richtig, dass Arbeitsverhältnisse so ausgestaltet sein müssen, dass sie für die Beschäftigten ein Leben ohne Armut ermöglichen, sonst handelt es sich um nicht-nachhaltige Ausbeutung. Stundensätze, die selbst bei Vollbeschäftigung nicht zum Leben reichen, sind deshalb amoralisch und wenn die Tarifparteien diesen Missstand nicht abstellen können, ist es richtig, dass der Staat eingreift. Grundsätzlich.

Jetzt kommt es aber auf die Details an. 2014 – das war die letzte Abstimmung, bei der ich noch nicht selbst mitstimmen durfte, sonst wär das natürlich anders ausgegangen – versenkte das Schweizer Stimmvolk einen nationalen Mindestlohn mit einem wuchtigen Nein. Über 76 Prozent stimmten damals gegen einen Mindestlohn von 22 Franken pro Stunde. Das war eine falsche Entscheidung, aber sie ist gefallen; so ist halt Demokratie.

Seitdem versuchen die Gewerkschaften, den Mindestlohn über die Kantone und die Kommunen durchzubringen, und haben dabei teilweise Erfolg: in den Kantonen Neuenburg, Jura, Tessin, Genf und Basel-Stadt wurde er eingeführt. Jetzt soll er also auf kommunaler Ebene in Zürich kommen. Er soll 23.90 SFr betragen und für alle gelten, mit einigen Ausnahmen (z.B. Personen in Ausbildung und unter 25-Jährige ohne Berufsabschluss). Im Gemeinderat fand die Vorlage eine recht knappe Mehrheit von 69:51 Stimmen.

Für mich ist die kommunale Gültigkeit die grösste Schwäche der Vorlage. Zum einen gibt das enorme Abgrenzungsprobleme (er soll gelten «für alle Arbeitnehmenden, die mehrheitlich auf dem Gebiet der Stadt Zürich arbeiten.»). Ich kenne das noch von meiner Zeit bei SAP, wo die Leute aus dem einen Büro (im Stadtgebiet) zum Sechseläuten frei hatten, die anderen (ausserhalb des Stadtgebiets) nicht. Wenn sich sowas auf das Lohnniveau bezieht, ist es weniger lustig. Zum zweiten ergibt das – wenn nach und nach eine Stadt der anderen folgt – einen Flickenteppich von Regelungen, der administrativ immensen Aufwand erzeugt.

Dass eine Kommune überhaupt einen Mindestlohn beschliessen kann, belegt die Stadt mit einem Gutachten, in dem als Bedingung genannt wird, dass die Stadt damit sozialpolitische Ziele verfolgt. Mit dem Mindestlohn – so deshalb die Antragsteller – soll Erwerbstätigen ein angemessener Lebensunterhalt ermöglicht und die Sozialhilfe entlastet werden.

Sozialpolitisch ist der Mindestlohn aber ein sehr ungenaues Instrument: Von den Menschen, die unter der Armutsgrenze leben («poor») hilft er nur denen, die arbeiten («working poor») und wegen der niedrigen Stundensätze arm sind. Einer alleinerziehenden Frau etwa, die wegen schlechter Kinderbetreuung nur ein kleines Stundendeputat arbeiten kann, hilft eine Anhebung des Stundensatzes fast nichts. Andererseits gibt es Menschen in guten Sozialverhältnissen, die trotz sehr niedrigen Stundensatzes nicht arm sind (etwa wenn der Lebenspartner oder die Lebenspartnerin gut verdient).

Trotz des Konstruktionsfehlers «kommunale Gültigkeit» finde ich den Mindestlohn eine gute Sache. Nicht, um Sozialpolitik zu ersetzen, sondern um Grundregeln fairer Arbeitsverhältnisse durchzusetzen. So sieht das auch die EU. In allen EU-Mitgliedstaaten gibt es gesetzliche Mindestlöhne, ausser in fünf: Dänemark, Italien, Österreich, Finnland und Schweden.

Interaktive Karte: www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Bevoelkerung-Arbeit-Soziales/Arbeitsmarkt/Mindestloehne.html

Im Oktober 2022 hat der Rat der EU (das sind die Regierungen) eine Richtlinie «über angemessene Mindestlöhne» verabschiedet. Dabei geht es darum, wie – in den Ländern, in denen es Mindestlöhne gibt – die Höhe dieser Löhne regelmässig angepasst wird, der Zugang der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum Mindestlohnschutz, sowie die tarifvertragliche Abdeckung verbessert werden. Richtwert dort sind 80%, also dass 80% der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Tarifvertrag haben.

In der Schweiz unterliegen bei 5.4 Mio Beschäftigten (https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/industrie-dienstleistungen/unternehmen-beschaeftigte.html) 2.1 Mio einem GAV (Gesamtarbeitsvertrag), davon 1.8 Mio einem GAV mit Mindestlohn. dam-api.bfs.admin.ch/hub/api/dam/assets/12947849/master).

Einer der GAV mit Mindestlohn ist der der Gastronomie, die als eine der kritischen Branchen genannt wird. Der Mindestlohn 2023 ist dort nach Lohnkategorie festgelegt.

Quelle: https://www.wirtepatent.ch/de/wissen/mindestlohn-in-der-gastronomie-n-was-verlangt-der-l-gav-207.html

Die Vorlage hätte demnach für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über 25 Jahre ohne Berufslehre direkte Auswirkungen (und wahrscheinlich müssten die Löhne für die anderen auch angepasst werden, wenn man die Staffelung erhalten will). Aber die Auswirkung wäre bescheiden. Dass die Einführung «die Sozialpartnerschaft untergraben» würde, kann ich nicht nachempfinden.

Kurz und gut, ich bin hin-und hergerissen und werde aus Prinzip ja stimmen, obwohl ich glaube, dass nur eine nationale Regelung eine wirklich runde Sache ist.

Wohnraumfonds, Objektkredit und Gemeindeordnung

Das sind zwei verbundene Vorlagen, die offenbar zusammengehören, und jedes Argument das für oder gegen die eine Vorlage gilt, gilt auch für die andere, deshalb behandle ich sie hier zusammen obwohl es wohl technisch so ist, dass jede für sich angenommen werden kann und muss.

Es geht darum, dass man mal beschlossen hat, dass bis 2050 ein Drittel aller Mietwohnungen in der Stadt gemeinnützig sein soll. Nun hat man mit Erstaunen festgestellt, dass die Wirklichkeit sich nicht nach den Beschlüssen richtet, und man trotz allerlei Förderung nicht über die 26.4% hinaus kommt. Und die Immobilienpreise steigen, die Nachfrage ist hoch und der Platz ist knapp. Deshalb soll jetzt nochmal Geld in die Hand genommen werden, umd das Drittel noch zu erreichen. Ein Fonds mit insgesamt 300 Millionen SFr soll aufgesetzt werden, aus dem Wohnbauträgerschaften Zuschüsse erhalten, damit sie auf eigentlich teurem Bauland doch noch erschwingliche Wohnungen erstellen können.

Ich muss gestehen, dass die Abwägung über das für und wider bei dieser Sache meine Kompetenz überschreitet. Ich verstehe die Absicht, aber ich kann wirklich nicht beurteilen, ob das ein Verfahren ist, das zur Linderung der Wohnungsnot in Zürich beiträgt. Falls ich in dieser Sache noch schlauer werde, mache ich vielleicht noch einen Nachtrag, aber im Moment werfe ich die Hände in die Höhe und sage: Macht, wie ihr wollt.

Pestalozzi-Bibliothek

und

Schulanlage Saatlen

Zum Abschluss gibts noch zwei ganz einfache Entscheidungen. Beide Male muss man nur ja sagen. Die Förderung der Pestalozzi-Bibliothek soll von befristet auf unbefristet umgestellt werden, und in Schwamendingen gibt es viel mehr Schulkinder, und deshalb brauchen die mehr Schulräume. Beides “no-brainer”. Und es gibt auch niemanden, der dagegen ist.

Nu staoht de Erpeln uppen Disk, nu werd’t se ock etten

23 Friday Aug 2019

Posted by hajovonkracht in deutsch, Uncategorized

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Abstimmung, Steuervorlage 17, Volksabstimmung

Am 1. September stimmt Zürich über die kantonale Umsetzung der am 19. Mai von 66% der Abstimmenden schweizweit angenommenen Steuerreform ab.
Ich habe mich damals mit wenig Begeisterung dazu durchgerungen, der STAF zuzustimmen. Mein Hauptgrund war die Abschaffung der Steuerprivilegien für überwiegend im Ausland tätige Konzerne.

Jetzt geht es nicht darum, alles nochmal über den Haufen zu werfen, sondern zu beurteilen, ob die Umsetzung für den Kanton Zürich ok ist.

Im Vorfeld der Abstimmung zeigt sich, dass mal wieder in sehr herkömmlicher Weise “links” und “rechts” gegeneinander auffahren. “Links” (AL, SP, Grüne, Gewerkschaften) ist dagegen, alle anderen (“rechts” sowieso, aber auch die sogenannten “Mitteparteien” wie z.B. die Grünliberalen) sind dafür.

Das Argumentarium der SP [↓ PDF] enthält die relevanten “linken” Argumente gegen die Annahme der Vorlage (und wird auch ziemlich wörtlich von den Grünen verwendet, wie sich überhaupt die Grünen in dieser Frage ganz im Schlepptau der SP zu befinden scheinen).

1. Um wieviel Geld geht es?

Der Regierungsrat schätzt die Mehrausgaben für die geplanten Änderungen so ein:

für den Kanton für die Gemeinden  
-240 Mio -205 Mio ohne Ausgleich durch Bundessteueranteil usw.
-180 Mio -85 Mio mit Ausgleich

Diese Einschätzungen unterliegen naturgemäss grosser Unsicherheit, und die SP befürchtet, dass die Rechnung am Ende viel höher ausfallen könnte. Da ist was dran, insbesondere weil der Regierungsrat damit rechnet, dass doch etliche der vom Wegfall ihrer Privilegien betroffene Firmen weiterhin im Kanton Steuern abführen werden. Wenn man allerdings die Wahrscheinlichkeit dafür erhöhen wollte, müsste man die Steuern noch weiter senken, was ganz im Widerspruch zur Position der SP steht.

Aber nochmal von vorne: die Firmen, die das Steuerprivileg für überwiegend im Auslang tätige Konzerne verlieren, und deshalb akut mögliche Kandidaten einer Abwanderung (aus der Schweiz) sind, tragen heute im Kanton Zürich 16% zum Steuerertrag aller Gesellschaften bei. Das sind bei 1.46 Mrd errichteten Staatssteuern durch juristische Personen im Jahr 2017 (siehe Geschäftsbericht [↓ PDF]) gerade mal 234 Mio. Um davon nicht den grössten Teil zu verlieren, verzichtet man auf 445 Mio Einnahmen. Wirklich? Klingt ein bisschen wie Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Oder was hab ich übersehen?

Die Alternative wäre, gar nichts zu machen, das Risiko in Kauf zu nehmen, dass diese Firmen in andere Steueroasen abwandern, und die Mindereinnahmen von 234 Mio einfach wegzustecken.
Das sähe dann so aus:

für den Kanton für die Gemeinden  
-127 Mio -106 Mio ohne Ausgleich durch Bundessteueranteil usw.
-67.4 Mio +13.8 Mio mit Ausgleich

Für mich sieht das deutlich schmerzfreier aus.

Ich schliesse daraus, dass die vorliegende Vorlage nicht die Umsetzung der am 19. Mai beschlossenen STAF ist, sondern einfach die Gelegenheit genutzt wird, Steuersenkungen für Unternehmen durchzusetzen. Klar ist jedenfalls, dass die Vorlage unter falscher Flagge segelt.

Wettlauf nach unten

Wichtiger als die 16% möglichen Einnahmeverluste durch das Wegbrechen der hauptsächlich im Ausland tätigen Firmen ist etwas anderes: der interkantonale Wettbewerb, der dazu führt, dass etliche Kantone die Unternehmenssteuern drastisch senken, und Zürich vielleicht gar keine Wahl hat, als bei dem Spiel mitzumachen. Die Senkung der Gewinnsteuer von 8% auf 7% lässt sich damit gut begründen, und Zürich wäre immer noch an der Spitze der Kantone.

Alte Schlupflöcher zu, neue auf

Problematisch finde ich den Umgang mit den durch die Abstimmung vom 19. Mai möglich gemachten neuen Schlupflöchern. Insbesondere zwei:

  • Wenn man Forschungs- und Entwicklungsausgaben zu mehr als 100% absetzbar macht (in unserem Fall: zu 150%), tritt der eigentliche Zweck der Forschungstätigkeit in den Hintergrund. Beispiel: Ich gebe eine Million aus für die Erforschung, wie sich die Mondphasen durch Wünschelrutengänge beeinflussen lassen. Natürlich kommt nichts dabei heraus. Dann setze ich anderthalb Millionen von meiner Steuer ab, und die Sache hat sich vielleicht doch für mich gelohnt. Oder ich deklariere ganz andere Aktivitäten als “Forschung” (so wie es die Japaner mit dem Walfang machen). Mit anderen Worten: solche überschiessenden Absetzungsmöglichkeiten fördern nicht die Forschung, sondern die kreative Buchhaltung.
  • Patentboxen haben gestartet als reichlich windige Methode, sich auf Kosten anderer Staaten zu bereichern. Inzwischen hat die OECD einigermassen klare Regeln dafür aufgestellt, wie solche Instrumente ausgestaltet werden sollten, um den Vorwurf der “harmful tax practices” zu vermeiden. Ich glaube aber, dass dies ein Feld sein wird, wo noch über Jahre ein Katz- und Mausspiel zwischen Steuervermeidern und -inspektoren stattfinden wird. Ich glaube nicht, dass es der Schweiz gut tut, in diesem Spiel vorne mit dabei zu sein.

Was folgt nun aus all dem?

Ich antworte mit dem Klassiker aller Antworten, in der Version aus dem Emsland (einer Gegend in Norddeutschland, die – wie man dem Dialekt entnehmen kann – an Holland grenzt): „Nu staoht de Erpeln uppen Disk, nu werd’t se ock etten.“ – Hochdeutsch: Jetzt stehen die Kartoffeln auf dem Tisch, jetzt werden sie auch gegessen.

Also: Augen zu, “ja” gestimmt, und sich anderen Themen zugewandt.

Don Quijote gegen das Energiegesetz – der Kampf gegen die Windmühlen

01 Monday May 2017

Posted by hajovonkracht in deutsch

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Energiegesetz, Energiestrategie 2050, Volksabstimmung

Am 21. Mai stimmt die Schweiz über das Energiegesetz (a.k.a. Energiestrategie 2050) ab. Die Frontstellung scheint zunächst vorhersehbar: Klima-Leugner und SVP sind sowieso dagegen, die Grünen und Grünliberalen dafür. Allerdings gibt es diesmal (im Gegensatz zur Atomausstiegs-Initiative im November) einige Besonderheiten: die Bürgerlichen und die Wirtschaft, aber auch manche Umweltschützer tun sich überraschend schwer, sich zu positionieren, und viele Organisationen und Parteien sind regelrecht zerstritten. Schön beschreibt das ein Artikel auf Watson. Beispielsweise spricht sich Pro Natura für das Gesetz aus, während etwa Antoinette de Weck, FDP Grossrätin und ehem. Geschäftsführerin Pro Natura Fribourg prominent als Unterstützerin eines Umweltkomitees gegen das Energiegesetz auftritt. Mit dabei sind auch einige “Ehemalige” vom Bundesamt für Umwelt BAFU, der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz und so weiter.

Diesen Aspekt finde ich besonders interessant: Warum sind Umwelt- und Naturschützer gegen ein Gesetz, das den Energieverbrauch senken, Energieeffizienz erhöhen, erneuerbare Energien fördern und den Bau neuer Atomkraftwerke ausschliessen soll?

Wenn man sich auf der Internet-Seite des Komitees umsieht, findet man die folgenden Argumente – hauptsächlich geht es um die Windräder:

Vögel schreddern – “Bis zu 100‘000 Vögel jährlich würden von Windturbinen erschlagen.”

Gegen Windräder wird dieses Argument immer wieder gern vorgebracht und mit Bildern verendeter Vögel illustriert. Wer sich für das Thema interessiert, kann bei Wikipedia nachschlagen, wo auch eine US-Studie aus dem Jahr 2012 zitiert wird. Ähnliche Zahlen präsentiert auch der deutsche BUND in einer ausführlichen Abschätzung der Ursachen für den Rückgang vieler Vogelarten.
Die Gefahr, dass ein Vogel von einer streunenden Hauskatze gefressen wird, an einer Glasscheibe zerschellt, dem Auto- oder Bahnverkehr, Hoch­leitungen oder Pestiziden zum Opfer fällt sind alle um ein vielfaches (zum Teil tausendfach) höher und sind echte Bedrohungen des Vogelbestands. Windräder sind es nicht, auch wenn einige Greifvögel tatsächlich den schnellen Dreharmen spektakulär zum Opfer fallen.

Schlussfolgerung: Ja, es gibt ein Windrad-Problem für Vögel, aber dieses Problem wird grotesk aufgebauscht, um Emotionen gegen Windräder zu schüren.

Gesundheit gefährden – Die Gesundheit der Anwohner wird bedroht: “1000 Anlagen beschallen eine Fläche des Kantons NE mit Lärm und Vibrationen (Fachbegriff: Infraschall). Die Folgen: Schlafstörungen, Depressionen, Herz-Kreislauf-Probleme u. a.”

Nun ist es mit dem Infraschall ähnlich wie mit der Elektrosensibilität: Je mehr jemand dran glaubt, desto mehr Wirkungen treten auf (schön beschrieben, anhand einer Studie von der University of Auckland, im Spiegel Online und auf Heise online, wo es heisst: “Eine in den Niederlanden durchgeführte Studie gibt möglicherweise Hinweise für effektive Maßnahmen gegen das “Wind Turbine Syndrome”. Personen, die eine negative Einstellung gegenüber dem optischen Erscheinungsbild der Windkraftanlagen hegen, klagen deutlich häufiger über Belästigungen durch Windkraftanlagen. Weiterhin sinken die berichteten Belastungen ganz erheblich, wenn die Betroffenen finanzielle Vorteile durch den Bau der Windkraftanlagen erhalten – etwa durch reduzierte Stromtarife für lokal vermarkteten Strom oder durch eine direkte finanzielle Beteiligung.”)

Schlussfolgerung: Auch das Infraschall-Argument dient faktenfrei dazu, Emotionen gegen Windräder zu schüren. Dabei böte den besten Schutz gegen die Symptome des “Wind Turbine Syndrome (WTS)” eins: Weniger Panikmache.

Landschaft verschandeln – “Schweizweit würden 1000 riesige und lärmige Türme aus dem Boden schiessen. Grösser als die Fernsehtürme vom Üetliberg, Beromünster und Bantiger. Die Rotoren sind bis 140m breit. Windkraftwerke können bis 300m nah an Häuser gebaut werden.”

Dies ist das Herz der Argumentation. Windräder ziehen heftige negative Emotionen auf sich. Neben den an den Haaren herbeigezogenen Emotions-Schürern (Vogel Schreddern, Infraschall) spielt die ästhetische Wahrnehmung die zentrale Rolle. Nun ist es jedem unbenommen, lieber neben einem Atomkraftwerk zu leben (auch deren Kühltürme haben eine gewisse harmonische Ästhetik), aber es verschliesst sich mir, wie Menschen, die bereit sind, noch um den Erhalt jeder alten Windmühle zu kämpfen, so erbittert gegen moderne Windräder streiten. Aber das muss ich wohl kopfschüttelnd akzeptieren.

Gegenüber der leidenschaftlichen Ablehnung der Windräder verblassen die anderen Argumente der Naturschützer: “Die Schweiz würde auslandsabhängig und klimaschädlichen Strom beziehen.” – Wo ja bekanntlich Uran und Erdöl in der Schweiz in heimisch-bodenständigem Handwerk hergestellt werden, muss man dieses Argument wirklich nicht ernst nehmen.

Was an der Argumentation dieser Naturschützer insgesamt auffällt, ist, dass sie sich zu den Zielen der Abstimmungsvorlage (Energieverbrauch senken, Energieeffizienz erhöhen, erneuerbare Energien fördern, Atomausstieg (leider ohne Frist)) und den Wegen, wie dies alles zu erreichen sei, überhaupt nicht äussern, selbst wenn sie der Überzeugung Ausdruck geben, “dass ein Atomausstieg mit konstruktiven Lösungen möglich ist, ohne unsere Landschaft, Natur und Gesundheit zu opfern”. Wie, verraten sie uns nicht.

Der Kampf gegen Windmühlen hat für Don Quijote höchste Priorität, alles andere ist dem untergeordnet.

Entscheidungen aus Reflex?

05 Sunday Feb 2017

Posted by hajovonkracht in deutsch

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Einbürgerung, NAF, Unternehmenssteuerreformgesetz, Volksabstimmung

Die meisten werden ihre Stimmzettel bereits abgegeben haben. Für Spät-entschlossene vielleicht noch das eine oder andere Argument.

Erleichterte Einbürgerung von Menschen der dritten Ausländergeneration

Mancherorts wird ein im Lande geborener Mensch automatisch Staatsbürger. In Deutschland können sich “Secondos” immerhin bis zu einem bestimmten Alter für die Staatsbürgerschaft entscheiden. Die Schweiz stimmt jetzt darüber ab, ob Menschen der dritten Generation – nein, nicht automatisch eingebürgert werden können, sondern – ein vereinfachtes Verfahren angeboten bekommen, ähnlich wie Ausländern, die mit Schweizern verheiratet sind. Immer noch muss die Einbürgerung beantragt werden, es gibt Einzelfallprüfung und die Kantone können Einspruch erheben.

Die Zahl der Menschen, um die es da geht, ist überschaubar, aber es handelt sich um eine symbolische Geste, die zum Ausdruck bringt, dass hier aufgewachsene Menschen willkommen sind, am Gemeinschaftsleben voll teilzunehmen. Gute Sache.

Auftritt SVP. Wie ein Pawlow’scher Hund reagiert sie auf das Schlüsselwort “Einbürgerung” und bellt los. Schreckens-Szenarien werden mobilisiert, die nichts mit der Sache zu tun haben, und am meisten hat mich dies beeindruckt:

“Nicht wenige eingebürgerte «Neuschweizer» verstehen keine Landessprache, anerkennen die hiesigen Sitten nicht oder werden bereits kurz nach der Einbürgerung straffällig.” – Ich fühle mich voll erkannt.

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Schlussfolgerung: Auch wenn’s von der Sache her nicht um sehr viel geht, würde eine Ablehnung bedeuten, dass die Schweizer gedankenlos ausländerfeindlichen Reflexen folgen, die von der SVP zuverlässig bedient werden. Wäre sehr schade.

Nationalstrassen- und Agglomarationverkehrs-Fonds (NAF)

Grüne und SP sind dagegen. Die Grünen, weil ihr Reflex dahin geht, gegen Strassen zu sein, die SP, weil sie bei jeder Ausgabe wittert, dass am sozialen Ende gespart wird. Beide Reflexe kann ich verstehen, und doch sind sie falsch.

Der Erhalt einer funktionsfähigen Infrastruktur gehört zu den dauerhaften Kernaufgaben eines Staates. Wo er vernachlässigt wird – siehe USA – sind die Folgen ernst. Dafür müssen die Mittel bereitgestellt werden. Das ist ganz unbestreitbar. Der Streit kann sich nur drehen um die konkreten Entscheidungen, in welche Infrastruktur wie investiert wird. Immer mehr Strassen bauen? Brücken sanieren? Infrastruktur für E-Mobilität und selbstfahrende Autos vorbereiten? Intelligentes Mobility-Pricing vorbereiten? Da gibt es ein breites Feld, auf dem kontroverse Entscheidungen nötig sind. Alle diese benötigen Geld.

Deshalb ist die Entscheidung, ein langfristiges Verfahren für die Finanzierung von Infrastruktur bereitzustellen und diese aus Abgaben aus Mineralöl und Vignette zu finanzieren, grundsätzlich richtig.

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Ich sehe das Risiko, dass ein “ja” so interpretiert wird, jetzt sei die Zeit des rasanten Strassenausbaus. Das hielte ich für wieder den falschen Reflex. Ja, Infrastrukturausgaben sind gute Ausgaben, wenn sie investiert werden in intelligente zukunftsträchtige Projekte. Darüber darf und muss gestritten werden.

Unternehmenssteuerreformgesetz III

Firmen, die zwar ihren Hauptsitz in der Schweiz haben, sonst aber hauptsächlich anderswo aktiv sind, haben bislang von einem Schlupfloch profitiert, das ihnen die Schweiz bot. Sie konnten von einem ermässigten Steuersatz profitieren. Auf diese Weise waren die Geschädigten die Sozialsysteme anderer Länder. Seit Jahren gehen diese anderen Länder gegen Steuerschlupflöcher vor, und deshalb will und muss die Schweiz dieses Schlupfloch schliessen. Leider.

So jedenfalls der Tenor des Abstimmungsbüchleins. Und weil man eigentlich das Schlupfloch gern offen liesse, aber nicht darf, bemüht man sich, dieses Schliessen so zu versüssen, das möglichst keine der betroffenen Firmen die Schweiz verlässt, und vielleicht sogar noch ein paar neue angelockt werden.

Herausgekommen ist ein Konvolut von 12 einzelnen Massnahmen, die in verschiedener Weise vom Bund und den Kantonen angewandt werden (können), und – da bin ich nicht der Einzige – schwer zu durchschauen, noch schwerer quantitativ abzuschätzen sind.

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Ich gebe zu, dass mein Sachverstand in dieser Frage begrenzt ist. Aber ich muss – als guter Schweizer Bürger – entscheiden, und da stütze ich mich auf den ehemaligen Preisüberwacher Strahm, der im Tagi (für mich) nachvollziehbar argumentiert hat, es sei besser, diese Vorlage abzulehnen, um dann in der Folge eine abgespeckte Version zu verabschieden, die in etwa dem entspräche, was dem ursprünglichen Konzept des Bundesrats entspräche. Also: Nein. Aber vielleicht ist das ja nur mein alter antikapitalistischer Reflex?

Der Fussabdruck des Sauriers

08 Thursday Sep 2016

Posted by hajovonkracht in deutsch

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ökologischer Fussabdruck, Grüne Wirtschaft, Volksabstimmung

Nachdem ich meiner neuen Tradition letztes Mal bereits untreu war, möchte ich sie heute wieder aufnehmen und berichten, wie ich zu den Abstimmungen vom 25. September stehe.

Eine Initiative liegt mir besonders am Herzen, und weil die Abstimmunterlagen bereits verschickt wurden, möchte ich schon vorab zu diesem Thema mein Plädoyer abgeben. Zu den anderen Fragen später mehr.

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Die Menschheit verfeuert das Erbe ihrer Kinder. Ganz wörtlich. Mit dem Kon­zept des “ökologischen Fussabdrucks” gefasst, verbrauchen wir mehr als dreimal so viele Ressourcen wie die Erde im selben Zeitraum durch Regene­ration hervorbringen kann. Das ist, was man Raubbau nennt. Unser Fuss­abdruck ist viel zu gross. Der überdimensionale Fussabdruck eines modernen Sauriers. Das wird – ausser von ganz empiriefreien Überzeugungsmenschen – von niemandem bestritten.

Vor diesem Hintergrund kommt jetzt die Initiative “Für eine Grüne Wirtschaft”, versucht, die Einsicht in Handeln umzusetzen, und sofort zeigt es sich, dass es manchen Leuten leicht fällt, Einsicht und Handeln völlig zu entkoppeln.

Ich bin ja eher skeptisch gegenüber allgemeinen Weltrettungs-Initiativen, aber in diesem Fall glaube ich, dass die vorliegende Initiative die richtigen Schlussfolgerungen zieht und die richtigen Methoden anwendet.

Hier einige Gegenargumente.

Es ist grad so angenehm warm; es reicht ja, wenn man im nächsten Jahrzehnt anfängt, was zu tun

NASA 2016 Temperature
Die Initiative setzt eine Frist bis 2050. Einige Indikatoren zeigen seht deutlich, dass viel weniger Zeit bleibt, um gegenzusteuern. Je später man anfängt, desto teurer wirds. Und die negative Entwicklung scheint sich tatsächlich dramatisch zu beschleunigen.

Wenn man den Fallschirm aufspannt, erzeugt das so einen unangenehmen Ruck in den Gliedern

sh_fallschirm Das Gegenargument des Bundesrats lautet, die Initiative wolle “zu viel in zu kurzer Zeit” erreichen, was beides ziemlich albern ist. Und ja, dass für die Erreichung der Nachhaltigkeit auch etwas gefordert wird, das ist schon so. Allerdings nicht Verzicht sondern mehr Intelligenz.

“Aber die Innovation!”

Die Innovation ist ein zweischneidiges Schwert. Sie kann einerseits ins Feld geführt werden mit dem Argument, wir könnten ja heute problemlos Schaden anrichten, weil unsere innovativen Nachfahren morgen damit spielend fertig werden. Gleichzeitig können wir sie ausblenden und sagen: auf dem heutigen Stand der Technik, mit den heutigen Fahrzeugen, Geräten, Kraftwerken, können wir die Ziele nur durch brutalen Verzicht erreichen.
Wenn man diesen Widerspruch umgekehrt auflöst, wird daraus: Wir müssen heute innovativ die Techniken entwickeln, die Nachhaltigkeit möglich machen, und morgen unseren Nachfahren keine Müllhalde hinterlassen.

Deshalb ist die Initiative auch wirtschaftsfreundlich, denn eine Herausforderung, wenn sie angenommen wird, kann viel mehr zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit beitragen als das Ausruhen auf alten Technologien.

Mal wieder typisch grüne Zwängerei

Diesen Vorwurf nehme ich ernst. Immer wieder machen die Grünen genau diesen Fehler. Auch diesmal? Ich glaube, nein. Gerade weil keine konkreten Massnahmen in das Gesetz geschrieben werden, sondern ein allgemeines Ziel, und es den politischen Gremien (Bund, Kantonen und Gemeinden) überlassen wird, dieses Ziel zu gestalten, erlaubt die Initiative einen flexiblen Umgang. Ich habe übrigens in einem Beitrag für “Operation Libero” versucht, näher zu begründen, weshalb ich diese Initiative für gut vereinbar mit freiheitlichem Denken halte. Leider kam darauf nicht viel an Reaktion. Da ist noch Arbeit zu leisten.

Was kann schon die winzige Schweiz im Alleingang bewirken?

Die verschiedenen internationalen Klimaabkommen (z.B. Paris) basieren auf freiwilliger Umsetzung durch die einzelnen Staaten. Das führt oft dazu, dass zwar gemeinsam etwas beschlossen wird, sich dann aber alle vor der Umsetzung drücken. Hier wäre ein Fall, wo sich ein Land nicht drückt, sondern vorangeht in der Umsetzung der gemeinsam beschlossenen Programme. Im Moment sieht es eher so aus, dass Europa seine Vorreiterrolle an Länder wie die USA und China abgibt.

Das Motto “Nach mir die Sintflut” hatte noch nie so konkrete Bedeutung wie heute, und deshalb ist es richtig, nicht abzuwarten, sondern mit der Annahme dieser Initiative den Weg zu entschiedenem Handeln zu öffen.
turner-schatten-und-dunkelheit-der-aben-09863

Vom Wert des Kuhhandels

04 Monday Jul 2016

Posted by hajovonkracht in deutsch

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direkte Demokratie, Referendum, Volksabstimmung

Überlegungen zur direkten Demokratie

Vielleicht ist dies keine gute Zeit, um jetzt einen Schritt zurück zu treten und grundsätzliche Überlegungen zum Wert und Unwert von direkter Demokratie anzustellen (eine andere Art von Zurücktreten ist gerade sehr en vogue). Zu sehr sind in dieser unmittelbaren Post-Brexit-Zeit alle Meinungen davon gefärbt, wie man diese spezielle Abstimmung inhaltlich bewertet.

Sehr schön wird das belegt von Farage, der – in der Annahme, das Referendum werde scheitern, und um bereits im Vorfeld sein politisches Terrain abzustecken, die Verbindlichkeit eines knappen Ergebnisses grundsätzlich in Frage stellte, nur um diese Erkenntnis nach gewonnener Abstimmung wie eine heisse Kartoffel fallen zu lassen.

Für den Fall einer knappen Nieder­la­ge der Brexit-Befürworter erklärte Farage im Mai der britischen Zeitung “Mirror”, könne man so ein Ergebnis nicht als repräsentativen Wunsch der britischen Bevölkerung akzeptieren. Ein Referendum, das mit einem Ergebnis 52:48 Prozent ausgehen würde, bezeichnete Farage als “unerledigte Aufgabe”. Das Ergebnis wäre schlicht zu eng, um daraus einen klaren Volksentscheid ableiten zu können. Nur im Fall, dass “die Remain-Kampagne mit ⅔ zu ⅓ gewinnt, ist die Sache erledigt”, betonte Farage.

Aber vielleicht ist dies auch eine gute Zeit, und vielleicht hilft die Schweizer Perspektive bei der Einordnung.

Wer ist der oberste Souverän?

Formal war das britische Referendum (genau wie das niederländische am 6. April zum Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine) ein “konsultatives”. Faktisch aber wird es so behandelt, als sei es die ultimative Entscheidung des Souveräns, welche die Parlamentarier bindet. Denn wer kann sich in der Demokratie über das Volk – den ultimativen Souverän – erheben?

Vielleicht ist das die wirkliche Bedeutung des Wortes Populismus, das derzeit breit durch die politische Debatte geistert ohne klar definiert zu sein. Das Volk – nicht die “Eliten” – soll das Sagen haben, und am unmittelbarsten übt das Volk seinen Willen durch direkte Abstimmungen aus. Die Eliten haben dann zu schweigen und den Volkswillen umzusetzen.

Was dabei unter die Räder kommt, ist das Konzept der Gewaltenteilung. Man sieht das sehr klar in der Schweiz, wo die rechtspopulistische SVP Abstimmungen lanciert oder unterstützt, die den Richtern vorschreiben sollen, wie sie zu richten haben, den Regierungen, wie sie im Detail zu regieren haben, und den Parlamenten, welche Gesetze sie zu erlassen haben. Alles vom obersten Souverän, der nach den Vorstellungen der SVP über den anderen Gewalten steht. Und immer unter der Massgabe, dass die Richter, die Regierungen, die Parlamente von den “Eliten” durchseucht sind, wohingegen nur das reine Volk den reinen Volkswillen rein verkörpert.

Interessanterweise wird diese Art von Populismus sowohl von Rechtsparteien als auch traditionell von der Linken und Teilen der Grünen gepflegt, wobei bei den Letzteren (hoffentlich, und vielleicht eher aus taktischen Überlegungen) gerade ein Umdenken beginnt.

Das bislang nicht gelöste Problem besteht darin, wie das direkte Wort des Volkes in eine von Gewaltenteilung geprägte demokratische Struktur eingebaut werden kann, ohne den anderen demokratisch legitimierten Gewalten (Legislative, Exekutive, Jurisdiktion) die Luft abzudrehen. Da nützt es nichts, in die Verfassungsbestimmung das Wort “konsultativ” hineinzuschreiben, sondern es bedarf eines allgemeinen Verständnisses, was das bedeutet, und es bedarf des Mutes der anderen Gewalten, den Zumutungen der Populisten zu widerstehen. Beides ist heute eher nicht gegeben. (Vielleicht am ehesten noch in der Schweiz; mehr dazu weiter unten.)

Wer hat in der Demokratie das letzte Wort?

Oder anders gefragt: Was, bitte, ist in der Demokratie das “letzte Wort”? Oder ist das vielleicht ein dem demokratischen Prozess ganz fremdes Unwort?

Demokratie lebt vom Kompromiss. Davon, dass weiterverhandelt werden kann. Besonders bei komplexen Themen, aber selbst bei so konkreten Dingen wie einem Stuttgarter Untergrundbahnhof, ist es immer so, dass die Verhältnisse sich ändern, neue Erkenntnisse gewonnen werden, Entscheidungen sich morgen anders darstellen können als heute. Parlamentarische Demokratie lebt davon, dass Entscheidungen nicht unwiderruflich sind. Bei der Volksabstimmung hingegen fällt eine Tür mit Donnergetöse zu, und für eine ganze Weile ist Umdenken, Umwerten, Umentscheiden tabu.

Besonders destruktiv wird diese Endgültigkeit eines Volksentscheids, wenn andere als die Abstimmenden betroffen sind. Brexit, die Schweizer Masseneinwanderungsinitiative, die niederländische Abstimmung zum EU-Ukraine-Abkommen (letztere sogar in absurdem Umfang) sind alles Beispiele für Entscheidungen, bei denen eine Partei – festgenagelt durch eine Volksabstimmung – sich jedes Verhandlungsspielraums begibt, und den anderen Beteiligten nur noch zurufen kann: Friss, Vogel, oder stirb!

Der bulgarische Politikwissenschaftler Ivan Krastev hat das im Tagesanzeiger sehr schön zum Ausdruck gebracht: “Referenden können nicht miteinander verhandeln, so wie Regierungen” – und das gilt genau dann, wenn sie als das “letzte Wort” eines Souveräns behandelt werden.

Vielleicht ist die Schweiz, in der Volksabstimmungen eine lange Tradition haben, in dieser Frage einen Schritt weiter. Hier werden sie als Richtungsentscheidungen begriffen und in die Verfassung geschrieben. Für die tatsächliche Umsetzung werden mehrere Jahre Zeit gegeben, und es ist durchaus möglich, dass der Volkswille im Gesetzgebungsprozess – wenn sich nämlich herausstellt, dass das alles gar nicht so geht, wie die Initianten sich das gedacht haben – erheblich umgeformt, weichgekocht und den (von den für die Umsetzung verantwortlichen Parlamentariern wahrgenommenen) Realitäten angepasst wird.

Ein Kuhhandel, zweifellos. Und vor allem für die Populisten von rechts ein grosses Ärgernis. Aber ein wichtiges Instrument, um die Demokratie als Ganzes funktionsfähig zu halten.

Nur wenn die europäischen Demokratien die Kraft entwickeln, die Ergebnisse ihrer Referenden nicht als “letztes Wort”, sondern als wichtigen Beitrag zur Debatte zu behandeln, bereichern sie (wie in der Schweiz) die Demokratie und verlieren das ansonsten in ihnen schlummernde antidemokratische Gift.

Volksrepublik Schweiz?

05 Friday Jun 2015

Posted by hajovonkracht in deutsch

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faire gebühren, härtefallkommission, kanton, Volksabstimmung

Beim Abstimmungsmarathon am 14. Juni gibt es neben den nationalen Abstimmungen (meine Meinung dazu hier) zweieinhalb recht eigenartige Abstimmungsvorlagen auf kantonaler Ebene. Erst dachte ich, man kann sie mit ein paar Zeilen abtun, aber bei näherer Betrachtung haben sie es in sich.

Das eine ist die Volksinitiative Keine Härtefallkommission. Natürlich geht es mal wieder darum, dass die SVP Stimmung schürt gegen Ausländer, weil sie so recht erfolgreich die anderen Parteien vor sich her treiben und bewirken kann, dass diese dauerhaft in der Defensive bleiben. Aber interessanterweise geht es bei der Abstimmung gar nicht darum, mehr Asylbewerber zu schuriegeln oder auszuweisen. Gefordert wird, dass die kantonale Regierung eine ganz bestimmte beratende Kommission nicht einsetzen darf. Es gibt solche Kommissionen zu allen möglichen Themen, aber diese eine soll direkt vom Volk untersagt werden. Es geht darum, dass das Volk den Institutionen “auf die Finger klopft” und ihnen einbläut, wie sie ihre Arbeit zu machen haben. Damit wird die Gewaltenteilung zwischen Regierung, Parlament und Volk an einer eher unbedeutenden Stelle gezielt ausgehebelt.

Nicht von der SVP lanciert, sondern vom Hausbesitzerverband, aber ganz im selben Geist (und von der SVP unterstützt) zielen die beiden anderen miteinander verbundenen Initiativen “Ja zu fairen Gebühren im Kanton” und “…in den Gemeinden” in dieselbe Richtung.gerupft Sie gehören eng zusammen. Es geht darum, alle staatlichen Gebühren zu deckeln. Ein neu zu verfassender Gebührenkatalog soll alle Gebühren auflisten und muss je Legislaturperiode vom Parlament (bzw. der Gemeindeversammlung) genehmigt werden. Gebührenerhöhungen sind nur noch per Referendum zulässig.

Richtig: Administrative Gebühren sind manchmal intransparent, erscheinen willkürlich und teuer (aber hallo? Wir sind in Zürich!). Aber sie sind Sache der Verwaltung! Sie müssen auf Gesetzen beruhen, man kann sie im Einzelfall hinterfragen, dagegen klagen. Aber trotzdem: Im Sinne der Gewaltenteilung gehören sie in die Sphäre der Administration, der Exekutive.

Rein pragmatisch gesehen, ist die vorgeschlagene “Lösung” völlig irre. Bei der Stellungnahme des Regierungsrats ist im Abstimmungsheft (Seite 10) ein schönes Beispiel gegeben, welchen Aberwitz diese Regelung nach sich ziehen würde. Aber nicht nur eine völlig aus dem Ruder laufende Bürokratie würde sich aus dem Antrag ergeben, sondern vor allem: dies ist eine generelle Misstrauenserklärung gegen die Exekutive. Das Volk muss den Regierenden ununterbrochen auf die Finger hauen, damit diese haarklein dem durch Abstimmungen sich äussernden Volkswillen folgen.

Damit – und das ist die Stossrichtung der SVP seit etlichen Jahren – entsteht eine ganz paradoxe Situation: Die Gewaltenteilung wird schrittweise aufgehoben. Per Volksentscheid werden Details, die eigentlich in die Sphäre von Exekutive und Legislative gehören, in grosse Betonklötze gegossen und mitten auf den Acker geschmissen – sollen doch die Parlamente und Regierungen damit zurechtkommen und irgendwie darum herum pflügen. Das ist auch bei der Europa-inkompatiblen Masseneinwanderungsinitiative das Problem.

Und so wird der ur-demokratischste Bestandteil der schweizer Demokratie, die Volksabstimmung, dazu benutzt, die in der Schweiz traditionell tief verankerte ausgewogene Gewaltenteilung aufzuheben. Einen politischen Mechanismus ohne ein System von checks and balances, der ungefiltert überall hin durchregieren kann, ohne die Möglichkeit einer Berufungsinstanz, nennt man totalitär. Bislang waren totalitäre Systeme auch diktatorisch. Dass das Stimmvolk selbst in eine solche Rolle geraten könnte, ist ein mir neuer Gedanke.

Die Schweiz ist heute von einem solchen System weit entfernt. Aber dass die SVP beispielsweise die Menschenrechte aushebeln will (nur das Volk hat zu entscheiden, kein EuGH!) und immer wieder Vorschläge lanciert, die offensichtlich gegen Gleichbehandlung verstossen (Minarettverbot), deutet für mich darauf hin, dass ausgerechnet die Kraft, die so stark wie keine andere die Besonderheiten des schweizer Modells herausstreicht, versucht, es in etwas ganz anderes zu verwandeln: eine neue Art von Volksrepublik.

Quintessenz für den 14. Juni: Dreimal nein.

Nationale Abstimmungen am 14.06.

03 Wednesday Jun 2015

Posted by hajovonkracht in deutsch

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Erbschaftssteuer, Fernsehgebüren, PID, Präimplementationsdiagnostik, Radiogebühren, RTVG, Stipendieninitiative, Volksabstimmung

Wieder mal ein Abstimmungsmarathon. Die Zumutung: Man muss sich mit lauter Dingen auseinandersetzen, über die man sich noch keine Gedanken gemacht hat. Der Vorteil: Man kann das tun, ohne gleich irgend einer Partei-Loyalität unterworfen zu sein.

Ich nutze diesen Blog, um meine Gedanken zu den aufgeworfenen Fragen zu sortieren (learning by writing); vielleicht interessiert das ja den einen oder die andere.

Weil es diesmal sehr viele Fragen sind, und die Stimmunterlagen bereits verschickt wurden, nehme ich hier nur zu den nationalen Vorlagen Stellung – die lokalen und kantonalen bekommen einen eigenen Eintrag.

Präimplementationsdiagnostik – bislang in der Schweiz untersagt – soll zugelassen werden für Paare, die unter schweren Erbkrankheiten leiden oder nicht auf natürlichem Wege Kinder bekommen können. Gut zusammengefasst sind die Argumente pro und contra bei Vimentis. (Nebenbei bemerkt: “Ehe für Alle” ist hier kein Thema, das wird über kurz oder lang kommen; jedenfalls wird der Begriff “Paar” hier ganz naiv traditionell verwendet.)

Ich werde – wie von Grünen und GLP empfohlen – dafür stimmen, wenn auch nicht mit wehenden Fahnen: die Grenze des Erlaubten wird wieder mal um ein Weniges verschoben auf einem abschüssigen Weg, der immer weiter geht und an dessen vorstellbarem Ende niemand sein mag.
Neben guten Argumenten dafür, teilweise hysterischen dagegen, scheint mir folgendes Gegenargument das schwerwiegendste: Wenn PID zum Alltag wird, macht es das Leben von Menschen mit einer Behinderung noch schwerer, sollte es sie doch gar nicht geben. Eltern mit behinderten Kindern sind selbst schuld und haben nicht rechtzeitig aufgepasst. Also: dafür, aber mit mulmigem Gefühl. Ja

Stipendieninitiative – Stipendien sind in der Schweiz Sache der Kantone. Das führt dazu, dass sowohl Ver­gabe­praxis als auch Höhe – abhängig von der Herkunft der Studie­ren­den – stark unter­schiedlich sind. Fair ist das nicht.
Die Initianten wollen deshalb diese Aufgabe auf den Bund übertragen (und bei der Gelegenheit auch soweit erhöhen, dass ein minimaler Lebensstandard gewährleistet ist). Die Gegner der Initiative argumen­tieren, dass eine Ver­einheitlichung von Richtlinien und Beträgen bereits peu à peu statt­finde, und sie verweisen auf das Stipendienkonkordat. Der Nachteil des Konkordats ist, dass dabei nur eine ungefähre Harmonisierung herauskommt, der Vorteil: die Kompetenz der Kantone wird nicht angetastet, nach dem Motto “Sie kennen die Bedürfnisse ihrer Studierenden besser.”

Aber halt. Wie hoch ist eigentlich heutzutage der Anteil der Studenten, die ihr Studium im Heimatkanton ablegen? Ist es nicht so, dass ich meine Uni danach aussuche, was ich studieren will, und wo der für mich optimale Studiengang angeboten wird? Die Vorstellung, dass der Heimatkanton am besten weiss, welche Bedürfnisse ein Student an der ETH Zürich, oder der EPFL in Lausanne (oder der Uni in Berlin) hat, scheint mir doch weltfremd. Besser wüsste das die Uni, an der ich studiere.

In dieser Frage folge ich den Grünen, die dafür sind (die Grünliberalen sind dagegen). Ja

Radio- und Fernsehgebühren – wie schon vor einiger Zeit in Deutschland, soll die geräteabhängige Empfangsgebühr auch in der Schweiz durch eine allgemeine Abgabe je Haushalt ersetzt werden. Über die Einzelheiten des Vorschlags, die Höhe der Gebühren, und die Einbeziehung von Firmen kann man ja streiten, aber wenn man den öffentlich finanzierten Rundfunk nicht ganz abschaffen und voll privatisieren will, ist dieser Systemwechsel in Zeiten, in denen man mit jedem Smartphone Radio hören und TV sehen kann, der einzig sinnvolle Weg.

Deshalb folge ich Bundesrat und Parlament, unterstützt von den Grünen. Die Argumentation der Grünliberalen gegen Inkasso-Bürokratie und Unternehmensabgabe (Firmen zahlen auch heute schon, sofern sie nicht wie CVP-Mann Gmür schwarzsehen) kann ich in dieser Frage gar nicht nachvollziehen. Ja

Erbschaftsteuer – Bislang gibt es kantonale Erbschafts- und Schenkungssteuern. Jetzt sollen diese durch eine nationale Erbschaftssteuer von 20% ersetzt werden (mit entsprechenden Freibeträgen und Ausnahmen; Einzelheiten auf der Kampagnenseite). Die Aufstellung der Gegner und Befürworter entspricht strikt dem Links-rechts-Schema, die Polemik ist erheblich, vermutlich wird der Vorschlag sowieso abgelehnt, und die Entscheidung fällt mir zugegeben schwer.

Das Gerechtigkeitsgefühl spricht für die neue Steuer: Es gibt in der Schweiz eine hauchdünne Schicht Schwerreicher, denen ich jede Form von Steuer herzlich gönne. Zudem herrscht ein ganz destruktiver kantonaler Niedrigsteuer-Wettlauf, der den Gedanken, diese Angelegenheit aus der Kompetenz der Kantone zu lösen und national zu regeln, attraktiv macht. Trotzdem.

Wenn man am Steuersystem herumbastelt, muss man es in seiner Gesamtheit sehen – schon die Energiesteuer-Initiative der GLP war darin nicht gut. Grundsätzlich sollten Steuereinnahmen 1. an die Wertschöpfung, 2. an das Einkommen, und erst 3. an das Vermögen geknüpft sein. Wenn jemand mich fragen würde, dann würde ich den Fokus darauf setzen, jedes Einkommen ausnahmslos – zum Beispiel auch Kapitalerträge – in fairer Weise zu besteuern. Substanz-Steuern (dazu gehören Vermögenssteuern, Erbschaftssteuern, Schenkungssteuern) sind grundsätzlich problematisch, weil sie zwar vergangene Ungerechtigkeiten beheben können, aber im Idealfall sollten die Gewinne schon bei der Entstehung entsprechend weggesteuert werden.

Obwohl ich mich in dieser Frage nicht 100% kompetent fühle, bin ich dafür, 1. die Sache bei den Kantonen zu lassen, 2. dort nicht die vererbten Vermögen, sondern die “Einkommen aus Erbschaft” zu besteuern (wie das auch derzeit geschieht). Das heisst, ich folge in dieser Frage der GLP und nicht den Grünen. Nein

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