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1½ Wahlen und 1½ Abstimmungen gibt es am kommenden Sonntag in Zürich.

Die eine Wahl ist einfach: Wer wird der zweite Vertreter des Kantons im Ständerat? Zur Wahl stehen:

Hans-Ueli Vogt, ein sympathischer, intellektueller, leise auftretender Mensch, der sich aber als klar festgelegter Vertreter der SVP mit einer „Selbstbestimmungsinitiative“ bekannt gemacht hat, um sicherzustellen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der Schweiz nicht ins Käsefondue spuckt: Selbstbestimmung vor Menschenrechte. Er führt seinen Wahlkampf gegen einen (gar nicht auf der Tagesordnung stehenden) EU-Beitritt und – natürlich – gegen Flüchtlinge, Asylanten u.s.w.

Ruedi Noser tritt ebenfalls ruhig und sympathisch auf und betont seine Unabhängigkeit als Unternehmer. Er vertritt die FDP, aber hauptsächlich sich selbst. Er erklärt offen, dass er seine Interessen vertritt, die im Übrigen einen offenen Arbeitsmarkt einschliessen, was ihn – jedenfalls in diesem Punkt – in Gegensatz zu Vogt bringt. Beeindruckt hat mich seine Stellung zur Energiewende: Das einzig für ihn interessante Kriterium in dieser Frage ist, wie es für die Schweiz von Fall zu Fall am preisgünstigsten wird. Wenn die Deutschen so blöd sind, erneuerbare Energien zu subventionieren, dann soll man diese Subventionen mitnehmen und die Energie von dort beziehen, aber um Gottes Willen nicht selbst in diese Technologie investieren.

Tagi AnzeigeBastien Girod von den Grünen macht mit seinen 35 Jahren einen sehr jugendlichen Eindruck. Trotzdem nimmt man ihm ab, dass er einiges an Erfahrungen gesammelt hat und mit seinem ökologischen Schwerpunkt gute Impulse im Ständerat setzen kann. Ich muss zugeben, dass ich sein Buch „Green Change: Strategien zur Glücksmaximierung“ nicht gelesen habe, ist vielleicht auch besser so. Jedenfalls hat es mir der Kandidat so angetan, dass ich sogar eine persönliche Anzeige im Tagi platziert habe (sauteuer). Also wer noch nicht gewählt hat: Sonntag Vormittag, auf zum Wahllokal!

Die halbe Wahl ist die vom Statthalter. Was immer das ist. Beim Blättern in den Wahlunterlagen finde ich nichts, was mir hilft, auf die Schnelle zu entscheiden. Im Gegenteil. Auf dem Wahlzettel steht (sinngemäss): „Einzelheiten zur Wahl und die Liste der Kandidierenden finden sich auf der beigelegten Anleitung“, aber Pustekuchen. Nix liegt bei. Wenn Zürich Köln wäre, wäre diese Wahl unter Hohngelächter des Publikums annuliert worden. So aber lege ich einen ungültigen Stimmzettel bei, und der (einzige) Kandidat Mathis Kläntschi hat jetzt meine Stimme nicht bekommen, wirds aber wohl trotzdem werden. Möge er weise statthalten.

Auch bei den Abstimmungen gibts eine die ich verstehe, und eine andere.

Die eine Abstimmung geht um die Limmattalbahn. Im Clurr, einer von meinem Ex-Kollegen Kurt Weiss organisierten monatlichen Vortrags- und Debattenrunde, haben wir schon vor Jahresfrist von diesem Projekt gehört. Es geht um ein komplexes, von mehreren Trägern gemeinsam gestemmtes Infrastrukturprojekt, das die Planungsphase hinter sich hat und jetzt entschieden werden muss. Dazu zwei Anmerkungen: Erstens ist dies ein Idealfall einer vom Volk entscheidbaren Abstimmung. Es gibt einen Prospekt des Projektes, es ist konkret, es hat einen Preis, und jeder kann entscheiden. Zweitens bin ich 100% dafür, denn dies ist eine echte Investition in die Zukunft.

Die andere Abstimmung trägt den monströsen Titel „Änderung der Gemeindeordnung; Anpassung der Aufgabenzuordnung der Departemente sowie von Bestimmungen des Abschnitts Schule und Schulbehörden; Umbenennung eines Departements, Streichung einer Kompetenzbestimmung Gemeinderat„. Hier soll man mit einem einfachen „ja“ oder „nein“ antworten. Ich halte das für krank. Selbst bei meinem Versuch, den Abstimmungsprospekt im Einzelnen zu studieren, bin ich gescheitert. Gleich der erste Punkt: Artikel 41 Punkt s soll aufgehoben werden. Er lautet heute: Dem Gemeinderat stehen zu … „s) Verleihung und Änderung von Konzessionen für die Beanspruchung des öffentlichen Grundes durch Kabelnetze für Daten, die öffentlich angeboten werden.“ – Das soll also gestrichen werden. Ganze 17 solche Änderungen soll ich mit einem einzigen „ja“ oder „nein“ durchwinken.

Was läuft hier falsch? Ich glaube, hier zeigen sich die Grenzen der direkten Demokratie und eine Schieflage bei der Gewaltenteilung zwischen Parlamenten und Volk. Wozu wähle ich die Gemeindeparlamentarier, wenn sie mir solchen Kram vor die Füsse kippen? Ich habe jedenfalls den entsprechenden Stimmzettel ins Altpapier gegeben.